Hinweis

Dieser Text wird in abgeänderter und ergänzter Form als Teil einer grösseren Publikation erscheinen und soll hier als Separatausgabe publiziert werden.

Führungsethik in der Nussschale

Führungsethik[1] als angewandte Ethik ist elementar, weil es nicht nur in komplexen Zusammenhängen verantwortungsvoll und ethisch korrekt zu entscheiden gilt.[2] Führungsethik ist eine kritische Reflexion darüber, wie die Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in hierarchischen Strukturen menschenwürdig, fair und nachhaltig ausgestaltet werden können.[3] Oberstes Prinzip einer jeder Führungskraft sollte die Wahrung der Menschenwürde der Mitarbeiter sein. Die Person und die Funktion des Vorgesetzten und auch des Mitarbeiters müssen deshalb auseinandergehalten werden.

Einerseits ist der Mitarbeiter in seiner Funktion Produktionsfaktor (human ressources) und somit Mittel zum Zweck im Rahmen der Verwirklichung der Unternehmensziele. Der Mitarbeiter hat somit Objektcharakter wird gemessen an seinem Leistungsbeitrag für die Zielerreichung entschädigt. Anderseits ist der Mitarbeiter auch Selbstzweck (Subjektcharakter) mit einem unbedingt gültigen humanitären Eigenwert. Die Reduzierung eines Mitarbeiters auf seine reine Funktion und die Negierung seiner Person ist unethisch. Immanuel Kant hat in seiner Menschlichkeitsformel des kategorischen Imperativs vorgeschlagen, dass der Mensch jederzeit so handeln soll, dass dieser sich selbst und alle anderen jederzeit zugleich als Zweck (Subjekt) und niemals bloss als reines Mittel (Objekt) betrachten soll.[4]

Mikropolitik als erste Ausprägung der unethischen Beeinflussung kann von oben oder von unten her praktiziert werden, man versteht darunter: heimliche Machenschaften in Organisationen zur Erlangung eigener Vorteile durch einzelne Organisationsmitglieder oder spezielle Gruppen in Organisationen. Aus der Perspektive der ethisch-moralischen Grundrechte ist der Einsatz mikropolitischer Taktiken zurückzuweisen, weil durch List und Täuschung die Möglichkeiten einer anderen Person zur rationalen Selbstbestimmung eingeschränkt werden. Aus der Perspektive der Gerechtigkeit ist Mikropolitik nicht akzeptabel, weil sie dazu führt, dass Organisationsmitglieder ungerechtfertigt diskriminiert oder systematisch von sie betreffenden Entscheidungen ausgeschlossen werden.[5]

In der zweiten Ausprägung des unethischen Führungsverhaltens ist der Mitarbeiter nicht nur Opfer, sondern kann auch selbst zum Täter werden: a) Bad leadership: Führungsverhalten unter dem Einsatz von fragwürdigen Methoden mit dem Ziel der Beeinflussung der Mitarbeiter (und Dritter). Der Mitarbeiter ist ausschliesslich Opfer und b) Bad following: Führungsverhalten mit dem Ziel, dass sich die Mitarbeiter ermutigt fühlen, sich moralisch fragwürdig[6] zu verhalten und bspw. Bestechungsgelder oder sonstige geldwerten Vorteile für eine Auftragsvergabe in Aussicht zu stellen. Der Mitarbeiter ist hier Opfer und Täter, da der Akt der Bestechung stets auch mit der Bereitschaft zur Bestechlichkeit korrespondiert sollte das Versuchsstadium überschritten sein.

Führungserfolg und Führungsethik bedingen sich (zumindest kurzfristig) nicht. Nach Niccolò Machiavelli kann Führung auch erfolgreich sein, wenn sie vollständig befreit von ethischen Bedenken erfolgt. Der Führungserfolg als Erreichung der persönlichen Ziele der Führungskraft kann somit auf ethischen Wegen aber auch unter Einsatz von Härte und Grausamkeit erfolgen. Nach Machiavelli gibt es somit keine moralische Führung, sondern nur starke oder schwache Führungskräfte. Gerade bei charismatischen Führungsbeziehungen besitzt die Führungskraft eine aussergewöhnliche Macht, die nicht immer im Sinne der Geführten angewendet wird. Die Zielerreichung gilt als oberstes Prinzip, auf welchem Weg und zu welchem Preis auch immer.[7] Erst der Erfolg, dann die Moral gilt als Kernaussage des Machiavellismus. Dies ist positiv, wenn nicht (nur) die persönlichen Interessen befriedigt werden, sondern das öffentliche Gemeinwohl des Staates davon profitiert kann.[8]

Inwiefern die damalige norditaliensiche Regierungsform mit den heutigen Herausforderungen am Arbeitsplatz verglichen werden können sei dahingestellt. Sofern möglich soll die Führungskraft aber Gutes tun, aber auch soweit notwendig, das Böse nicht unterlassen, wenn es der Erreichung der Unternehmensziele dient.[9]

Fussnoten

[1] Vgl. zur Ethik in Organisationen Blickle 2007.

[2] Vgl. Enderle 1986, S. 1.

[3] Vgl. Ulrich 1995, V.

[4] Vgl. Kirchmann 1870, S. 53–54 sowie Ulrich 1995, S. 3–4.

[5] Blickle 2007, S. 149–150.

[6] Vgl. Pollmann 2010, S. 9–55 zu Fragen der Unmoral im Allgemeinen und zur Bestechung im Speziellen Pollmann 2010, S. 74–82.

[7] Vgl. Weibler 2012, S. 630; Hoeges 2000.

[8] Vgl. Riklin 1996, S. 134–138.

[9] Vgl. Machiavelli 1990, S. 86 der festhält, dass es zwei Arten zu kämpfen gebe, die eine nach Gesetz und die andere durch Gewalt. Der Fürst müsse daher sowohl den Menschen wie auch die Bestie zu spielen wissen.

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