Hinweis

Dieser Text wird in abgeänderter und ergänzter Form als Teil einer grösseren Publikation erscheinen und soll hier als Separatausgabe publiziert werden.

Das Team als geführte Arbeitsgruppe

Die Führungskompetenz des Vorgesetzten ist die Grundlage, dass eine Arbeitsgruppe überhaupt eine bestimmte Leistung erreichen kann. Kurt Lewin hat nachgewiesen, dass zwischen der Leistungsfähigkeit und dem Führungsstil in Arbeitsgruppen ein direkter Zusammenhang besteht.[1] Die Führungskräfte sollen deshalb „aus einer gewissen Distanz zielorientiert und flexibel in den Gruppenprozess eingreifen können. Kognitive Voraussetzungen dafür sind das Nachdenken über Gruppen und deren Gesetzmässigkeiten sowie das bewusste Wahrnehmen der eigenen, subjektiven Erfahrungen in und mit Gruppen.“[2] Das Führen von Arbeitsgruppen ist somit stets auch eine professionelle Beziehungsarbeit.

Nach Bruce W. Tuckmann existieren vier Phasen einer Gruppe. Je nach Gruppendynamik können die Phasen unterschiedlich lange andauern. Eine Arbeitsgruppe kann erst nach einer gewisse Zeit leistungsfähig werden und in die zeitlich befristete Performing-Phase eintreten.[3] Die ersten drei Phasen der Gruppenentwicklung dienen vorab der Beziehungsebene. In der Forming-Phase konzentriert sich die Gruppe v. a. auf sich selbst. In der Konzentration auf den kleinsten gemeinsamen Nenner kappselt sich die Gruppe ab und festigt den Zusammenhalt. Eine straffe und zielgerichtete Führung ermöglicht es der suchenden Gruppe den nötigen Halt geben zu können. Der Auftrag wird bestimmt und die Rahmenbedingungen durch den Vorgesetzten festgelegt. Die darauffolgende Storming-Phase wiederspiegelt die aufkeimenden Geltungs- und Machtansprüche der Gruppenmitglieder. In diesem stürmischen Prozesse der Findung als Gruppe werden die unterschiedlichen Interessen und Meinungen ausgetauscht. Dank dem Konflikt findet man den grössten gemeinsamen Nenner und schafft ein kooperatives Klima. Der Vorgesetzte beschleunigt diesen Prozess durch ein offenes Kommunikationsklima, um Missverständnisse und Unsicherheiten sofort klären zu können. In der Norming-Phase organisiert sich sodann die Gruppe und man stellt gemeinsame Regeln auf. Es entwickelt sich das gewünschte kooperative und leistungsfähige Verhalten.[4] Die Performing-Phase dient nun der effektiven Erzielung von Ergebnissen. Die Gruppe ist stabil und produktiv tätig. Der Vorgesetzte greift nur ein, wenn dies nötig oder gewünscht wird.[5] Die Performing-Phase ist jedoch nicht unbegrenzt haltbar. Mit der Zeit findet die Gruppe selbst keine innovativen Problemlösungen mehr und die Leistung nimmt kontinuierlich ab. Diese Lebensdauer resp. Produktivität der Gruppe ist auf eine Zeitspanne von eineinhalb bis fünf Jahren beschränkt.[6] Eine tiefe Fluktuationsrate gilt im Normalfall als Indikator für eine gelungene organisationale Sozialisation.[7] Wenn die Performing-Phase jedoch die Halbwertszeit überschritte hat, muss ein Ausscheiden von Gruppenmitgliedern geradezu angestrebt werden. Nur so kann sich die Gruppe als Organismus neu finden, die Forming-Phase beginnt erneut und die Produktivität wird auch längerfristig gesichert.[8]

Die Gruppenarbeit wirkt sich einerseits positiv auf die Motivation aus. Dies, da die Bedürfnisse nach Geselligkeit und Einflussnahme durch die Partizipation befriedigt werden. Jürgen Wegge unterteilt diesen positiven Effekt in vier Teilbereiche. Der Anstieg der Motivation erfolgt durch die Anwesenheit der anderen Gruppenteilnehmern (mere presence), wird gefördert durch die besseren Partner (Köhler-Effekt), durch die Aufopferung in der Gruppe (social compensation) und durch das Gefühl, in der Gruppe arbeiten und darin aufgehen zu können (social labouring).[9] Auch die Informationsgewinne können sich auf die Gruppenarbeit positiv auswirken. Denn im Vergleich zu unabhängigen Einzelpersonen werden im Gruppenverband mehr Ideen produziert und kreative Lösungswege erarbeitet. Bei einer echten Kooperation kann sich ein geteiltes Wissen aufbauen, das eine besonders effiziente Arbeitsteilung und effektive Arbeitserledigung erlaubt. Der Lerneffekt ist durch die Möglichkeit der Beobachtung und Nachahmung besonders hoch und offensichtliche Fehlentwicklung können in Arbeitsgruppen nicht nur schneller erkannt, sondern auch schneller behoben werden.[10]

Die Gruppenarbeit kann sich aber auch negativ auf die Motivation auswirken. Als Ursache für die Motivationsprobleme können die Zielkonflikte, der Machtmissbrauch, der soziale Müssiggang (social leafing), die soziale Angst (social anxiety), das Trittbrettfahren (free riding), das Gefühl nicht länger der Dumme sein zu wollen (sucker effect) und das Soldatentum (soldiering) genannt werden.[11] So können durch die Interaktion auch Probleme auftreten, welche den Output reduzieren oder sich gar kontraproduktiv auf das Arbeitsresultat auswirken können. Durch die Arbeitsteilung kann weiter die Innovationskraft sinken, die Fehlerzahl aufgrund der engen technischen Koppelung zunehmen und der Blick fürs Ganze verloren gehen. Eine negative Auswirkung der Informationsverarbeitung in der Gruppe soll gesondert erwähnt werden, das sog. Groupthink-Phänomen.[12] Dieser Wunsch nach Einmütigkeit und Konsens führt dazu, dass Gruppen mit hoher Solidarität und Loyalität mögliche Handlungsalternativen weder prüfen noch realistisch bewerten können.[13] Die Qualität und auch die Quantität der Gruppenarbeit leidet so markant.

Folgende Massnahmen helfen, die Motivation positiv zu beeinflussen: a) Heterogene Besetzung der Arbeitsgruppe, b) Offene Dialog- und Streitkultur, c) Zurückhaltung des Vorgesetzten bei den Stellungnahmen und d) Einsatz eines advocatus diaboli[14] in der Gruppe[15] Mit diesen Massnahmen kann Zusammenhalt in der Gruppe (Kohäsion) gestärkt werden, die Gruppenleistung verbessert und die Motivation durch die Wissensgenererierung[16] gesteigert werden.

Fussnoten

[1] Vgl. Lewin 1966; Becker 1995, S. 64–65; Teutsch 1999, S. 60–65.

[2] Hug 2008a, S. 301.

[3] Tuckmann 1965, S. 396; vgl. Hug 2008a, S. 311–313; Nerdinger 2011b, S. 97; Weibler 2012, S. 80–81.

[4] Vgl. Knecht et al. 2007, S. 117–118; Nerdinger 2011b, S. 97; Weibler 2012, S. 80–81.

[5] Vgl. Knecht et al. 2007, S. 118; Nerdinger 2011b, S. 97; Weibler 2012, S. 80–81.

[6] Vgl. Rosenstiel 2007a, S. 289.

[7] In der organisationalen Sozialisation versucht das Unternehmen, die Mitarbeiter an die bestehenden Werte heranzuführen, damit diese befähigt werden, die an sie gestellten Handlungsanforderungen zu erfüllen, vgl. Nerdinger 2011b, 70, 78.

[8] Vgl. Mills 1974, 10, 26

[9] Vgl. Wegge 2004, S. 55–66, Rosenstiel 2007a, S. 353–355; Nerdinger 2011b, S. 99–100

[10] Vgl. Wegge 2004, S. 47–54, Nerdinger 2011b, S. 99

[11] Vgl. Wegge 2004, S. 82–91, Nerdinger 2011b, S. 102–104

[12] Vgl. Wegge 2004, S. 79–80, Nerdinger 2011b, S. 101–102; Klocke und Mojzisch 2015, S. 5

[13] Vgl. Wunderer 2011, S. 284

[14] Der advocatus diaboli soll eingesetzt werden, wenn sich bei einer wichtigen Frage zu schnell ein Konsens einstellen sollte und sich die Gruppe nicht genügend mit der Materie auseinandergesetzt hat. Der advocatus diaboli hat die Aufgabe, „nach möglichen Problemen der gewählten Alternative zu suchen und diese der Gruppe zu präsentieren. Es ist möglich, dass die [Gruppenmitglieder] gute Argumente finden, die Einwände zu entkräften, so dass die Gruppe bei ihrer Entscheidung bleiben kann. Auch möglich ist, dass die Einwände nicht entkräftet werden können und klar wird, dass tatsächlich eine andere Alternative besser zu bewerten ist.“ Klocke und Mojzisch 2015, S. 21.

[15] Vgl. Rosenstiel 2007b, S. 395; Scholl 2007, S. 551–552; Rosenstiel 2007a, S. 365; Wunderer 2011, S. 284–285

[16] Die Information wird begleitet von der vermittelnden Kommunikation und der resultierenden Wissengenerierung, welche sich wiederum positiv auf Motivation auswirkt.

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