Hinweis

Nachfolgend ein Extrakt unter dem Titel „Qualifizierter Anleger in der Nussschale“. Es sei zudem der guten Ordnung halber darauf hingewiesen, dass der nachfolgend überarbeitete und übersetzte Kurzbeitrag einzig die damalige Sach- und Rechtslage im Jahre 2011 darstellen soll. Für einen vertieften Überblick ist auf die Dissertation: „Die vermögende Privatperson als qualifizierter Anleger im Kollektivanlagenrecht“, und die dazugehörige Aktualisierung, erschienen im Tectum Verlag 2014, hingewiesen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die Dissertation untersucht, ob der Gesetzgeber die Möglichkeit der Deklaration der vermögenden Privatperson als qualifizierter Anleger im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e KAG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 KKV als gesetzliche Vermutung oder als Fiktion ausgestaltet hat. Die vermögende Privatperson definiert sich gemäss geltendem Recht nach rein monetären Kriterien als qualifizierter Anleger.

Die von der h. L. angenommene Fiktion des Beizugs von qualifizierten Beratern durch die vermögenden Privatpersonen konnte im Rahmen der rechtstheoretischen Betrachtung nicht gestützt werden. Weiter wird in dieser Arbeit auch der Nachweis erbracht, dass keine entsprechende gesetzliche Vermutung vorliegen kann. Die Nichtanwendbarkeit der Vermutungsfolge führt dazu, dass auch die Vermutungsbasis für nicht anwendbar erklärt werden muss.

Geprüft wird zudem, ob die im Rahmen des autonomen Nachvollzuges erlassene Regelung den europarechtlichen Vorgaben entspricht. Zu guter Letzt ist Gegenstand der Arbeit, ob mit der gesetzlichen Regelung dem Zweckartikel nach Art. 1 KAG und somit dem Schutz der Anleger sowie der Gewährleistung von Transparenz und Funktionsfähigkeit des Marktes Genüge getan wird.

Als wissenschaftlicher Ansatz wird in dieser Arbeit von der angewandten Rechtstheorie nach Mastronardi ausgegangen. Ergänzt wird diese durch die Rechtsvergleichung und der Implementation der europarechtlichen Durchdringung im Rahmen des autonomen Nachvollzuges. Insbesondere die systematischen und teleologischen Auslegungselemente der Methodenlehre und die Ökonomische Analyse des Rechts geben interessante Hinweise auf den Geist, der dem Gesetz zugrunde liegt.

Das systematische Auslegungselement zeigt im Rahmen der inter- und intragesetzlichen Betrachtung deutlich auf, dass die geplante Teilrevision des Kollektivanlagengesetzes, die auch Teile der Einstufung als qualifizierter Anleger betrifft, deutlich von den Vorfällen von Madoff und Lehman geprägt sind, die bis hin zum FINMA-Positionspapier Vertriebsregeln ihre Auswirkungen zeigten.

Den Ausführungen zum historischen Auslegungselement kann unter anderem entnommen werden, dass einerseits die Gesetzgebung unter hohem Zeitdruck erfolgte und anderseits weder die tautologische, noch die finanzmarkttheoretische oder die aufsichtsrechtliche Begründung des EFD zur Formulierung von Art. 6 Abs. 1 KKV genügen können.

Klar wird in dieser Dissertation aufgezeigt, dass die im Rahmen des autonomen Nachvollzuges erlassenen Rechtssätze nicht nur in der Rechtsetzung Europakompatibilität anstreben, sondern auch bei der Auslegung und Anwendung europakonform behandelt werden müssen.

Unter dem mikroökonomischen Ansatz wird mit der ÖAR einleitend die NIÖ betrachtet. Hier sind insbesondere die Informationsasymmetrie und die daraus resultierenden Vertragsprobleme interessant. Im Rahmen der Ausführungen zu Behavioral Finance kann mittels Unterlagen, die bis ins Jahr 1883 zurückreichen, aufgezeigt werden, inwiefern der unerfahrene und teils auch leichtsinnige Anleger vor der besser informierten und strukturierten Anbieterseite von Finanzprodukten geschützt werden muss. Dies kann durch einen Gesetzesartikel geschehen, der das Delikt der Verleitung zur Spekulation sanktioniert. Art. 158 StGB (a. F.), der dieses Anliegen umsetzte, wurde jedoch im Jahr 1994 aufgehoben. Dasselbe Ergebnis kann auch durch eine konstant zunehmende Regulierung der Finanzmärkte auf jeder Stufe des direkten oder indirekten Kundenkontaktes (Point of Sale) erreicht werden, wie dies im FINMA-Positionspapier Vertriebsregeln erfolgte. Die Diskussion der personalen Determinante im Entscheidungsprozess der Anleger zeigt anhand einer aktuellen Studie, dass das Fondswissen der Bevölkerung im Vergleich der Jahre 2007-2011 noch nie so tief war wie 2011. Ebenfalls dienen die personalen Determinanten der Darstellung der divergierenden Anforderungen von Durchschnittsanleger und professionellen Anlegern an die Schlüsselinformationen der konkreten Finanzanlagen. Die situativen Determinanten zeigen auf, dass der Fondsmarkt arbeitsteilig organisiert ist, was zwangsläufig zur einer asymmetrischen Aufteilung der Information führt. Illustriert wird dieses Phänomen u.a. anhand der Darstellung der geldwerten Leistungen im Anlagefondsgeschäft.

Weiter illustrieren die Daten zur Kapitalmarktbeanspruchung und die Entwicklung der vermögenden Privatperson in der Schweiz und im weltweiten Vergleich einerseits das Volumen der in Frage kommenden Finanzprodukte und anderseits die zahlen- und volumenmässige Entwicklung der Nachfrageseite unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen der vermögenden Privatperson. Aktuelle Zahlen belegen, dass 2/3 aller in der Schweiz gehandelten Anlagefonds den qualifizierten Anlegern vorbehalten sind.

Der Rechtsvergleich der konkreten Umsetzung in Art. 6 Abs. 1 KKV mit der Implementierung der relevanten EU-Richtlinien in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und Luxemburg zeigt, dass die Schweiz die europarechtlichen Vorgaben nur teilweise implementiert hat. Die relevanten MiFID-RL wurden im Rahmen des autonomen Nachvollzuges sogar nur ungenügend umgesetzt.

Die rechtsvergleichende Betrachtung zeigt Lösungsmöglichkeiten auf, die mit den europarechtlichen Vorgaben im Einklang stehen. Anhand der generellen Betrachtung der relevanten Richtlinien und der konkreten Umsetzung in den betrachteten Ländern werden Lösungsmöglichkeiten dargelegt und diskutiert. Ein Lösungsansatz muss neben den monetären Kriterien auch die kognitiven Kriterien der Einstufung beinhalten. Nur so können neben den europarechtlichen Vorgaben auch die Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomie berücksichtigt und ein differenzierter Anlegerschutz gewährleistet werden.

Eine Deklaration der vermögenden Privatperson, so wie sie das KAG in Art. 10 Abs. 3 lit. e KAG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 KKV nach rein monetären Kriterien vorsieht, hält somit der rechtstheoretischen und der rechtsvergleichenden Betrachtung nicht stand.

Abschliessend wird die Schlussfolgerung gezogen und der Anforderungskatalog anhand der monetären sowie kognitiven Kriterien ersten und zweiten Grades aufgezeigt. Als Vorschlag de lege ferenda erfolgt eine europakompatible Formulierung von Art. 6 Abs. 1 KKV. Als Umsetzungshilfe in der Praxis wird zudem unter Berücksichtigung der schweizerischen Eigenheiten eine europakompatible Umsetzung eines Formulars zur Deklaration von vermögenden Privatpersonen als qualifizierte Anleger vorgeschlagen.

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