Hinweis

Nachfolgend ein Extrakt unter dem Titel „Prozesskostenfonds in der Nussschale“. Es sei der guten Ordnung halber darauf hingewiesen, dass der nachfolgend überarbeitete und übersetzte Kurzbeitrag einzig die damalige Sach- und Rechtslage im Jahre 2015 darstellen soll. Für einen vertieften Überblick ist auf die Masterarbeit: „Prozesskostenfonds; Die gewerbliche Prozessfinanzierung als alternatives Investmentvehikel aus ökonomischer und rechtlicher Sicht“, erschienen im Tectum Verlag 2015, hingewiesen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Im ersten Kapitel der Publikation werden die Ausgangslage, die Problemstellung und die Zielsetzung erläutert. Der Aufbau der Publikation wird dargestellt und die methodische Grundlage geklärt. Der Forschungsansatz ist bewusst interdisziplinär gewählt. Nur eine ganzheitliche Betrachtung unter Berücksichtigung der ökonomischen wie auch rechtlichen Aspekte kann das Thema in seiner Komplexität abdecken. Die gewerbliche Prozessfinanzierung ist eine juristische Finanzdienstleistung mit dem Charakter eines Investmentvehikels. Aus diesem Grund galt die Forschungsfrage dem Thema, wann eine operative Investmentaktiengesellschaft im Finanzbereich unter den materiellen Investmentfondsbegriff der AIFM-RL fallen kann. Eine Unterstellung, die eine gesellschaftsrechtlich korrekt aufgesetzte Erwerbsgesellschaft ex lege zu einem selbstverwalteten alternativen Investmentfonds mutieren lässt. Eine Mutation, die selbstredend noch aufsichtsrechtlich vollzogen werden muss, ist das bisherige Gefäss doch nicht mehr mit den regulatorischen Anforderungen konform.

Im zweiten Kapitel der Publikation wird eine eigenständige Definition entwickelt. Die Prozessfinanzierung stellt ein Geschäftsmodell dar, bei dem eine Prozessfinanzierungsgesellschaft der anspruchsberechtigten Partei gegen eine Erfolgsbeteiligung und Sicherungszession die Übernahme sämtlicher Prozesskosten i. w. S. von bestimmten wirtschaftlich verwertbaren Aktivprozessen zusichert und den dafür notwendigen Kapitalbedarf entweder durch eigene Kraft oder auf dem Kapitalmarkt deckt. Die gewerbliche Prozessfinanzierung wird zu anderen Formen der Prozessfinanzierung wie der Rechtsschutzversicherung und der Prozesskostenhilfe resp. unentgeltlichen Rechtspflege abgegrenzt. Anschliessend wird das Vertragswerk der Prozessfinanzierung in das System der Vertragsarten eingeordnet. Die Prozessfinanzierungsgesellschaft ist ein Finanzierungsmodell sui generis. Anhand der ökonomischen Analyse des Rechts werden die ökonomischen Folgen dargestellt. Die asymmetrische Informationsverteilung und die daraus resultierenden Vertragsprobleme führen zu einem Marktversagen. Durch den Informationsvorsprung der Prozessfinanzierungsgesellschaft kann diese die Opportunitäten besser beurteilen. Die anspruchsberechtigte Partei dagegen kann die spezifischen Handlungen und auch die Prozessrisiken nur beschränkt einschätzen. Das Risiko besteht, dass die Prozessfinanzierungsgesellschaft als Nutzenmaximierer (homo oeconomicus) die Informationsasymmetrie zum eigenen Nutzen einsetzt und nicht im ausschliesslichen Interesse der anspruchsberechtigten Partei handelt. Die Regulierung als staatliche Intervention greift korrigierend in die privatrechtliche marktwirtschaftliche Ordnung ein und versucht das Marktversagen zu lindern. Durch Informations- und Aufklärungspflichten sollen das Informationsgefälle somit gesenkt und die Interessen durch ein materielles Anreizsystem harmonisiert werden. Ausgehend von der Prozesserfolgswahrscheinlichkeit und dem Risikoverhalten der anspruchsberechtigten Parteien werden die unterschiedlichen Entscheidungsmodelle diskutiert. Mittels einer mikroökonomischen Betrachtung wird aufgezeigt, weshalb sich eine gewerbliche Prozessfinanzierungsgesellschaft im konkreten Fall für eine Investition in das Prozessrisiko entscheidet, obwohl für die anspruchsberechtigte Privatperson das Prozessrisiko zu gross sein kann. In Abhängigkeit vom unterschiedlichen Risikoverhalten wird dargelegt, dass die mögliche Bandbreite von Investitionsmöglichkeiten bei der risikoaversen anspruchsberechtigten Privatperson grösser ist als bei dem risikoneutralen anspruchsberechtigten Unternehmen. Die anspruchsberechtigte Privatperson ist somit ein attraktives Zielpublikum für die gewerbliche Prozessfinanzierungsgesellschaft. Ähnlich gelagerte Prozessrisiken lassen sich in einer Zweckgesellschaft bündeln.

Die gewerbliche Prozessfinanzierung als alternative Anlageform und als Finanzierungsmodell sui generis wird im dritten Kapitel auf die mögliche Unterstellung unter die AIFM-RL hin geprüft. Die Ausgestaltungsmöglichkeiten kollektiver Kapitalanlagen werden aufgezeigt. Risikomanagement und Compliance sind bei der gewerblichen Prozessfinanzierung ausgeprägt und mithin Grundlage des Geschäftserfolges. Als Asset Management kann i. c. das aktive Vertragsmanagement verstanden werden. Fachexpertise im Sinne einer zugezogenen Fachexpertenschaft und Fachanwaltschaft dienen der gewerblichen Prozessfinanzierungsgesellschaft zur Festlegung möglichst realistischer Prozesserfolgswahrscheinlichkeiten. Die grosse Nähe der selbstverwalteten kollektiven Kapitalanlagen zur im Finanzbereich tätigen Investmentaktiengesellschaft erschwert eine Abgrenzung. Zudem kennt die AIFM-RL den materiellen Investmentfondsbegriff, der sämtliche Unternehmen erfasst, die alternative Anlagen als regelmässige Geschäftstätigkeit und gestützt auf eine Anlagepolitik verwalten und bei einer bestimmten Zahl von AnlegerInnen Kapital beschaffen. Der eng gefasste Gesellschaftszweck und die rechtliche Verpflichtung, diesen nicht nur anzustreben, sondern zu verfolgen, bringt eine sich auf dem Finanzmarkt refinanzierende Investmentaktiengesellschaft in ein regulatorisches Dilemma. Je konkreter gefasst und näher an einer Anlagestrategie die Formulierung des Gesellschaftszweckes ausgestaltet ist, desto grösser ist das Risiko, dass ein Bestandteil für die Klassifizierung als AIF (festgelegte Anlagestrategie) gegeben ist. Ein Investmentvehikel soll dann als AIF betrachtet werden, wenn alle in der AIF-Definition enthaltenen Elemente tatsächlich vorhanden sind, d.h. es muss sich um einen OGA handeln, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäss einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, darf aber kein OGAW sein. Somit ist für im Finanzbereich tätige operative Gesellschaften wie i. c. die gewerbliche Prozessfinanzierungsgesellschaft sorgfältig zu prüfen, ob die Tätigkeit nicht ohne Not in den Geltungsbereich der anspruchsvollen Verwalter-Regulierung der AIFM-RL fällt. Zu diesem Zweck werden nicht nur die AIFM-RL als Rahmenregulierung, sondern auch die entsprechende ESMA-Regulierung betrachtet. Das so entwickelte Prüfschema kann in der Praxis dazu dienen, operativen Gesellschaften im Finanzbereich einen schnellen Überblick über die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen zu verschaffen.

Im vierten Kapitel wird die gewerbliche Prozessfinanzierung in der Ausgestaltung eines Prozesskostenfonds im Geltungsbereich der AIFM-RL dargestellt. Als faktisch selbstverwaltetes Investmentvehikel ist die gewerbliche Prozessfinanzierungsgesellschaft bewilligungspflichtig und der Aufsicht zu unterstellen. Eine betriebswirtschaftliche, portfoliotheoretische, prozessökonomische und wohlfahrtstheoretische Folgenanalyse beleuchtet die Einstufung des Investmentvehikels als alternativer Investmentfonds.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Prozessfinanzierung als alternative kollektive Kapitalanlage in der diskutierten Ausgestaltung ein interessantes Investmentvehikel und eine besondere Anlageopportunität darstellt. Deren finanzmarktrechtliche Architektur kann auch für ähnlich gelagerte Investmentaktiengesellschaften angewendet werden. Die ökonomisch orientierte operative Leitung von Unternehmungen sieht regulatorische Herausforderungen oft als Risiko für das bestehende Geschäftsmodell, bestenfalls nur als Kostenfaktor im Bereich Legal und Compliance. Gerade die AIFM-Regulierung jedoch kann auch als Chance gesehen werden, die nationale Investmentaktiengesellschaft richtlinienkonform auszugestalten, um so neue Geschäftsmodelle für die Zukunft des europäischen Finanzmarktes schaffen zu können.

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